Was verbindet ihr mit dem Begriff DDR? Wie von Geisterhand erschienen am Smartbord Assoziationen aus verschiedenen Schülergruppen, die anschließend im Gespräch in einen Zusammenhang gebracht wurden, und schon waren die Klassen 10Ra und 10Rb am 30. und 31. Oktober mitten im Thema DDR-Geschichte.
Das Vorwissen der beiden Klassen wurde jeweils mit Schaubildern, Fotos und Infofolien rund um das Thema DDR ergänzt, die immer wieder Gelegenheit boten, die Schülerinnen in den Vortrag mit einzubeziehen. Da ging es um die Flagge der DDR als Symbol für den Arbeiter- und Bauernstaat, um Karl Marx‘ Idee vom Kommunismus als gerechteres gesellschaftliches System, um die Planwirtschaft als den Versuch, diese Idee zu verwirklichen – und um ihr Scheitern.
Denn welche Marken kennen wir aus der DDR? – Da mussten alle lange überlegen. Am ehesten kamen wir noch auf Rotkäppchen-Sekt und Spreewaldgurken, die Auflösung der Frage zeigte eine ganze Reihe von Firmen, die wir längst als gesamtdeutsch betrachten und deren DDR-Ursprung uns nicht mehr bewusst ist.
Das kann man als positiv bewerten, denn es zeigt, dass die beiden deutschen Staaten in den 33 Jahren seit der Wiedervereinigung gut zusammengewachsen sind.
Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass die DDR ein Unrechtsregime war, das unliebige Bürger in den Westen verkaufte – Stichwort Freikauf politischer Gefangener durch die Bundesrepublik. Und in dessen Gefängnissen gefoltert wurde und Zwangsarbeit an der Tagesordnung war. Zwangsarbeit, von der auch westdeutsche Firmen profitierten, die in DDR-Gefängnissen produzieren ließen. Wohl wissend, wie die Dumping-Löhne dort zustande kamen.
All dies erfuhren die Schülerinnen durch den lebendigen und schülernah gestalteten Infoteil von Kristin Kallweit, die von ihrem Arbeitsplatz in der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin gekommen war, damit das Thema DDR bei der Jugend präsent bleibt. Die Historikerin Kallweit ist eine der Referentinnen, die im Auftrag der „Deutschen Gesellschaft“ Workshops an Schulen anbieten, um Schüler und Schülerinnen, die erst nach der Wiedervereinigung geboren sind, Kenntnisse zu den beiden deutschen Staaten der Nachkriegszeit bis 1990 zu vermitteln.
In diesem Jahr hatten wir Glück und durften als rheinland-pfälzische Schule teilnehmen. Für die Workshops kann man sich bewerben und hoffen, dass man zum Zug kommt, denn sie werden möglichst gerecht über das ganze Bundesgebiet verteilt.
Nach zwei Stunden Infoteil – die Ermüdung an diesem ersten Tag nach den Ferien war bei manchen spürbar – stärkten wir uns mit Kuchen und entspannten 20 Minuten.
Dann wurde es Zeit für etwas eigene Forschung. Die Schülerinnen befassten sich mit dem Bildungssystem der DDR und überlegten in Gruppen, wer in der DDR nach der für alle gleichen 10-jährigen Polytechnischen Oberschule die Chance bekam, Abitur zu machen. Zwei (!) von 20 Schülerinnen durften von der Klassenlehrerin dafür ausgewählt werden.
Die Tatsache, dass nicht nur gute Schulleistungen, sondern auch die Herkunft aus Arbeiter- und Bauernfamilien und die Parteitreue Entscheidungskriterien waren, gab uns allen ein ungutes Gefühl. Was war, wenn man mit dem System nicht einverstanden war? Wenn man statt zur Jugendweihe lieber zur Konfirmation ging und kirchlich engagiert war? Was passierte mit Leuten, die einen Ausreiseantrag stellten?
All das war in den Lehren der SED als Staatspartei nicht vorgesehen, das zeigten die zahlreichen Jugendzeitschriften und Schulbücher der DDR, die die Schülerinnen im Original durchstöbern durften.
Vom Bastelset eines DDR-Panzers über handwerkliche Kenntnisse wie das Schweißen bis zur Packliste für das nächste Jugendcamp der Jungpioniere war dort einiges zu finden.
Und immer und immer wieder wurden die Ideale eines sozialistischen Charakters betont:
Solidarität, Fleiß, Gemeinschaft, Ehrgeiz, Stolz auf die DDR, Sportlichkeit, Disziplin, Vorbild für andere sein, das waren die Eigenschaften, welche die Schülerinnen als Erziehungsideal des DDR-Bildungssystems herausarbeiteten. An sich nichts Verkehrtes, wenn dazu auch Toleranz gegenüber Andersdenkenden gezählt hätte.
Die 10Ra befasste sich schwerpunktmäßig im zweiten Bock noch mit den Überwachungsmethoden des Ministeriums für Staatssicherheit (Mfs), also der Stasi, und dem Anwerben von Inoffiziellen Mitarbeitern als Spitzel.
Das Schwerpunktthema der 10Rb war die friedliche Revolution und ihr Zustandekommen aus verschiedenen Oppositionsbewegungen.
Zum Abschluss der beider Workshops konnten beide Gruppen ihr neu erworbenes Wissen jeweils in einem „kahoot!“ zur DDR-Geschichte messen. Es wurde ehrgeizig gegeneinander geraten, jeder wollte den Preis – „kalter Hund“, eine typische DDR-Süßigkeit – gewinnen, der dann auf Wunsch der Gewinner aber sozialistisch geteilt wurde.
Auf dem Stundenplan lagen vier Stunden DDR-Geschichte hinter den 10. Klässlerinnen, Frau Kallweit und mir als ihrer Geschichtslehrerin. Vielen Dank an die beiden Klassen für die konstruktive Mitarbeit und besonders an Frau Kallweit für die informativen und dennoch lebendigen Workshops!
Die meisten Teilnehmerinnen meinten, es sei ungewohnt gewesen, sich so lange mit einem Thema zu beschäftigen und so viele Informationen auf einmal zu bekommen, aber es habe Spaß gemacht. Gewünscht hätten sich die Schülerinnen noch ein Zeitzeugengespräch – auch das bietet die Deutsche Gesellschaft an.
Darum können wir uns ja bei nächster Gelegenheit bewerben …
S. Hoffmann